Der praktische orientierte Partner der Erkenntnistheorie des Sāṃkhya wird als eigenständisches philosophisches System Yoga genannt. Das Wort „der Yoga“ heißt wörtlich „das zu-einer-Aktion Verbinden“ und ist das Hauptwort des Verbs yui, was im Englischen to join, to unite, im Deutschen zusammenbringen, kombinieren, in Aktion bringen und verbinden meint. Der Yoga heißt es im Sanskrit, im Deutschen sagt man auch das Yoga. Yoga bedeutet das Zusammenbringen zum in Aktion setzen, das Verbinden, das Arrangieren, das Erstellen und Erkennen von Beziehung und insbesondere das Anwenden der Aufmerksamkeit. In verschiedenen Sachzusammenhängen benutzt, kann das Wort Yoga sehr unterschiedliche Bedeutungen bekommen. Ursprünglich meinte es, ein Pferd oder einen Wagen einspannen, im Sinne von bereit machen, in Gang setzen. Das deutsche Wort Joch steht sprachlich damit in einer entfernten Verbindung. Da inzwischen viele Menschen wissen, dass im Yogakurs kein Joch aus Holz gebaut wird, und es auch nicht um das Unterjochen der TeilnehmerInnen geht, bleibt der Ausdruck sinnvollerweise oft unübersetzt. Im philosophisch-praktischen System der Yogalehre, mit dem wir es hier zu tun haben, bedeutet das Wort Yoga die Anwendung der eigenen Aufmerksamkeit auf sich selber. Hört man mit den Ohren seine eigene Atmung, so ist man bei sich, hört man andere Menschen sprechen, so bekommt man mit den eigenen Ohren von anderen etwas mit. Auch dafür interessiert sich Yoga, für gute Beziehungen mit der umgebenden Welt, also mit der äußeren Natur und den Mitmenschen. Die Ziele des Yoga, heißt es in einem alten Text, sind nur erreichbar in einer Gesellschaft in der alle Menschen glücklich sind. Der Startpunkt ist aus der Yogasicht klar durch die Natur festgelegt: Jeder Mensch beginnt bei sich selber. Jeder Mensch lernt, die eigene Aufmerksamkeit in Zusammenhang mit sich selber anzuwenden. Jeder Mensch ist loyal und in Verbindung mit sich selber. Alles andere wäre der Verrat am eigenen Selbst, wie der Körpertherapeut Alexander Lowen das nennt, oder eine Art tyrannischer und selbstgefälliger Umgang mit sich. Mit was wird man verbunden? Welche Beziehung wird gepflegt? Das sind die eigenen Beine und Arme, die eigene Atmung und die eigenen Sinne. Zusammen mit eigenem Denken, Fühlen und Beobachten führen sie bei jedem Menschen ein gemeinsames Leben. Es gibt Menschen nur in dieser zusammengehörenden, aufeinander abgestimmten Kombination. Yoga handelt von dieser Zusammenstellung, zeigt auf, wie Sie sich ihr Schritt für Schritt mehr bewusst werden und die Initiative ergreifen können, sie passend zu arrangieren für Aktionen.

In einem traditionellen Bild wird gesagt, wir brauchen den passenden Schlüssel, um das Schloss zu öffnen. Heute würden wir sagen, wir brauchen die passende Kombination zum Tresor. Das Wertvolle, der Diamant sind Sie selber. Ein anderes altes Bild ist der zweirädrige Pferdewagen, von zwei Pferden gezogen, vom Wagenlenker gelenkt, mit einem Ziel und Zweck. Ist der Wagen funktionsfähig gebaut, mit Rädern, festen Speichen, der Achse, den Achsenzapfen, die die Räder halten, insbesondere mit der freien rund laufenden Radnabe? Haben die Pferde die Kraft, ihn zu ziehen? Stimmt die Kraftübertragung und kann der Wagenlenker über die Zügel die Pferde brauchbar vorwärtsgerichtet lenken? Stimmt das alles, so kommt der Wagen zu seinem Ziel. Das ist der Zweck der Fahrt z.B. jemanden oder eine Ware zu transportieren. Während der Fahrt ist der Fahrgast in Bezug auf die Fahrt untätig. Wagenlenker, Pferde und Wagen sind in Aktion. Wir würden heute eher an ein Fahrrad oder ein Auto denken, es ist jedoch wichtig, die alten Bilder im damaligen Lebenszusammenhang zu belassen. Solche Bilder sind Kürzel, erste Zugänge, Eselsbrücken für Lernende, um Lernprozesse anzuregen. Sie helfen Ihnen, der Lehre näher zu kommen und selber die passenden Gedanken zu entwickeln.

Der Kernbegriff des Yoga: Citta Vṛtti Nirodha

In dem vor etwa zweitausend Jahren formulierten und zunächst von Lehrer zu Schüler interaktiv „von Mund zu Ohr“ sprachlich gefassten, für die Lehr-Lern-Situation gedachten ersten und bedeutsamsten Text des Yoga, den Yogasūtren (der alles über Yoga regelnde Text), wird Yoga definiert. Der Sutrenstil des Texts gibt in kurzen formelartigen Teilsätzen am Beginn die zentralen Definitionen von Yoga, die im späteren Text genauer erläutert wird: Sie lautet Citta-Vṛtti-Nirodha.
»Nirodha« (von sanskr. ni, »hinein«, und der Verbalwurzel rudh, »zurückhalten, hineinbremsen, eindämmen«) ist einfach übersetzt die Beruhigung. Es gilt das Gedachte und Erlebte, die Denk- und Erlebnismuster nachhaltig einzudämmen und den Übergang in eine neue Prozessphase zu ermöglichen, um dadurch ihren Einfluss zu unterbrechen. Ein Damm zur Bewässerung ist in Indien ein Musterbeispiel für das Hineinbremsen von Wasser, damit es eine beabsichtigte Richtung nimmt und auf die Felder gelangt.
Die »Vṛttis« (von sanskr. vṛt, »drehen, rollen, vor sich gehen«) sind Aktivitäts- und Verhaltenszustände, die eilig vor sich gehen, sich im Kreis drehen und einfach ablaufen, vergleichbar Strudeln im Wasser. Die verschiedenen Formen werden später aufgeschlüsselt. »Citta« (sanskr. citta1, »das Gedachte, das Erlebte«) ist ein Partizip Perfekt. Dieses Treffen der Unterscheidung zwischen Vergangenem und dadurch zu einem Muster gewordenem und gegenwärtigem aufmerksamen Denken, Wahrnehmen und Beabsichtigen macht den Kern der Definition von Entspannung in Yoga aus. Es geht also um eine konzeptuelle und praktische Kontrolle der Störfaktoren, um ein "Reinigen"; es geht darum, Freiheit (mukti2/vimokṣa, »befreit«) in die bisherige Lebensgeschichte zu bringen.
Das heißt, wenn alles, was stören könnte, die Citta-Vṛttis, die begrenzten Denkweisen und Gemütszustände, die aus dem Fundus von Citta kommen, nicht mehr behindern, ist Freiheit vorhanden, ist Offenheit und Aufmerksamkeit für die Gegenwart gegeben. Eine geeignete, korrekte Kultivierung, die nicht Gewolltes nach und nach beseitigt und Gewolltes erreicht, ist das Ziel. Ein klassischer Vergleich ist das Reinigen von Gold. Die »Aufmerksamkeitskraft« (sanskr. citśakti, »die Kraft, Wirkung, Potential« von cit, »aufmerksam zu sein«) kommt dann zum Vorschein. Ein absichtsvoller Prozess, der mit Hilfe dieses inneren „Kraftvorrats“ möglich wird. Ein weiteres klassisches Bild ist ein ruhiger See ohne Wellen. Die Vṛttis, die Bewegungen der Wellen, die etwas Rollendes haben und die Unruhe darstellen, sind eingedämmt. Śavāsana gilt als besonders schweres Āsana, da es darauf zielt, dieses Drehen im Kreis zu beenden. Eine einfache Beobachtung des Yoga ist es, dass dauerhaft verspannte Muskeln sich auch beim Hinlegen nicht leicht entspannen lassen. Daher werden zuerst die Steh-, Sitz- und Liegeāsanas und das weitere Programm zum Abbau muskulärer, viszeraler, sensorischer und mental/emotionaler Dysbalancen genutzt. Dann wird der Schulterstand (sarvāngāsana, »alle Glieder-Āsana«, Arme-Rumpf-Beine-Āsana) erlernt bis 10-20 Minuten möglich sind, anschließend der Kopfstand (śirṣāsana, śirṣ »Kopf und Hals«) zur weiteren Stabilisierung innerer mental-emotional-körperlicher Prozesse. Zu allen schwierigen und ausdrucksvollen Āsanas gehören Rückwärtsstreckungen, Seitenstreckungen, etc. und auch anspruchsvolle Liegeāsanas wie supta-vīrāsana. Dabei bebindet sich der Brustkorb in gewölbt-gestrecktem Zustand mit freier Atmung. Die indische Wildgans die als Bild auf dieser homepage gezeigt wird ist eine Analogie der freien Atmung. Der Bauchraum ist locker, flach, entspannt und gleichzeitig sind viele Muskeln passiv. Andere sind aktiv in expandiertem Zustand entspannt – eine anhaltende Prozessphase. Dies ist ein 10-20 Jahresprogramm.

Am Ende steht immer Śavāsana, das wie es heißt, die Müdigkeit nimmt, die durch die anderen Āsanas entsteht und das Ruhe in die Gedanken bringt3.

Je nach dem was vorher möglich war entstehen unterschiedliche Niveaus von Entspannung. Ein gut gelungenes Śavāsana gilt als die Hälfte der Entspannung die in Padmāsana möglich wird.

Ein Kernthema des Yoga ist die Marmakunde. Sie beschreibt den Bauplan des Menschen und unterscheidet 107 Marmas mit je eigenen Funktionen, Zwecken, Bestandteilen und Lokalisationen. Yoga will sich dieses Bauplans bewusst sein. Wer ihn begreift, kann selbst die passenden Gedanken entwickeln und nach ihm vorgehen. Die Marmapunkte beim Pferdewagen sind die Achse und die beiden Zapfen (Ani-Marmas), die es der Radnabe ermöglichen, sich frei zu bewegen. Dieses Erzeugen und Erreichen der freien Bewegung entsteht zum Teil durch Drehen, zum Teil durch Ziehen (Strecken) der Zügel, zum Teil durch Naturkräfteeinsatz (der Pferde), zum Teil durch intelligente Beobachtung und sofortige Aktion (des Wagenlenkers). Beim Menschen sind die Zapfen, die die dynamische Kraft ausmachen, vergleichbar mit dem Sehnen-Marma-Ort im äußeren Endbereich des Oberschenkels. Hier finden biologische Funktionen statt, die ein Mensch durch intelligente Beobachtung bei sich selber bemerken kann. Den Kräften der Pferde vergleichbar, sind beim Menschen die Handlungs- und Wahrnehmungssinne. Sie sind kräftig und brauchen aufeinander abgestimmte Regulierung. Aus der Yogasicht sind sie, wie wir noch genauer sehen werden, an diesen Orten im Körper verteilt. Die Marmakunde ist, wie die Sportwissenschaftlerin Dr. Monika Leye sagt, eine früh ausgebildete funktionelle Anatomie. Gleichzeitig ist sie eine frühe Entdeckung differenzierten Körperbewusstseins und körperlich fundierter Psychologie. Vieles, was vor zweitausend Jahren erfunden wurde, wie etwa ein Pferdewagen, gilt heute als überholt und ist nur von historischer Bedeutung. Mit Yoga verhält es sich anders. Man könnte es wie mit einer Telefonnummer vergleichen, die vor langer Zeit vergeben wurde und heute noch aktuell und unverändert gilt. Menschen hatten und haben Marmas. Die Marmakunde ist von faszinierender Genauigkeit und alterslos modern. Menschen haben vor langer Zeit Yoga entwickelt und die Marmas entdeckt. Heute, 2000 Jahre später, finden diese Lehre weltweit viele Menschen hochinteressant, haben Gutes von ihr gehört, sind neugierig geworden und wollen sich mit ihr beschäftigen.

Die zwei wichtigen Vorgehensweisen des Yoga

Die Yogasutren geben ein Vorgehensweisenpärchen an, um zur oben beschriebenen Aufhebung der Behinderungen durch die erstarrten Muster zu kommen: die immer wieder neue Beschäftigung (abhyāsa) und das Entfärben (vairāgya).

Täglich aufs Neue backt der Bäcker wieder neue Brezeln. Jeder Tag bringt neues Tageslicht. Jeden Tag erwarten wir Neues in der Zeitung. Yoga hält es für erforderlich, zur Lösung der anstehenden Lernaufgaben, einen gewissen Aufwand zu betreiben, seine Aufmerksamkeit einzusetzen, zu studieren, in dieser Richtung zu praktizieren und sich mit einer gewissen Beständigkeit zu beschäftigen (abhyasa). Ein yogisches Bild für den ständiger Verbesserungsprozess ist die Anwendung von Hitze, um Samen zu rösten, die Leiden verursachen könnten. Lernen stellt man sich in Yoga und Ayurveda als natürlichen, ständig stattfindenden Lebensprozess vor (sadhaka pitta), der es als Umwandlungsprozess für Lernaufgaben ermöglicht, bei passend regulierter Lernintensität Neues zu erlernen. Ein Leben lang eigenständig zu lernen, mit ständigem Interesse an Qualitätsverbesserungen, das beschreibt den einen Part der Vorgehensweise.

Der andere Part qualifiziert dieses Lernen als unaufgeregt, als ein entspanntes freiwilliges Lernen, voll von innerer Ruhe und von innen kommender Lernfreude. Sollte es eingefärbt oder verfärbt von Frust und Lust sein, entfärben Sie es wieder. In Indien spricht man im Bild des Stoffefärbens von entfärben, in Europa würde man dazu „Unklarheiten beseitigen" sagen, um die Wichtigkeit zu erkennen. Das heißt, Sie haben eine respektvolle, willkommen heißende Haltung. Sie trauen sich selbst zu, etwas zustande zu bringen. Dies ist vergleichbar mit der Haltung einer guten Bedienung einem willkommenen Gast gegenüber. Die Gier nach außergewöhnlichen Erfahrungen und der starke Durst nach Leben sind nicht vorhanden. In Indien ist es oft heiß; Wasser zu trinken, spielt eine wichtige Rolle. Es wird daher vom Durst nach Leben gesprochen. Europäer würden eher vom Lebenshunger sprechen, um einen großen Mangel zu beschreiben. Die Bedürfnisse des Lebens sollen zuerst einmal erfüllt sein. Man hat gegessen und getrunken, ist ausgeschlafen und hat wichtige Gespräche geführt; die Tränen wurden geweint und Erotik und Sexualität wurde gelebt. Yoga ist kein Ersatz für all dies, sondern etwas Zusätzliches und etwas Erweiterndes.
Wer Yoga praktiziert, trifft die kluge Entscheidung, durch die Verwendung der beiden sich wechselseitig ergänzenden Vorgehensweisen den „roten Faden" immer wieder zu gewinnen.

Asana - das erste der vier großen Themen des Yoga

Asana wird in den Yogasutren (II.46-48) in drei kurzen Sätzen definiert. Stabil und angenehm sind die ersten beiden Qualitäten, die das Verweilen im Asana ausmachen. Der Text beschreibt als nächstes die mentalen und emotionalen Wesensmerkmale des Asanas als mühelos lässigen Zustand (mit lockerem Aufwand, da konsistent), in dem man endlos verbleiben könnte. Die Aktionen haben nichts mehr zu tun mit den Attacken und Verletzungen, die von Gegensätzen des Lebens kommen. Die aus dem Alltag kommenden Attacken sind nach den Beobachtungen des Yoga in den Yogaübungen im Körper und im Gehirn noch vorhanden. Es dauert Jahre, sie zu entdecken und durch neue Haltungen so zu ergänzen, dass die neuen Aktionen die Dynamik bedingen. Stabiliserend halten wo es zu lose ist, lockern wo es zu angespannt ist, Aktionen wo keine waren, passende wo es überaktiv war, Wahrnehmungen wo nichts war, effektive statt ineffektive Muster. Nützliches/wirksames und angenehmes statt nutzloses/unwirksames und unangenehmes.

Stabile und angenehme Prozesse in Muskeln und Sehnen, Kreislauf und Atmung, Denken und Fühlen, dies ist der Zustand, wo alles sitzt und passt. Inwieweit dieser Zustand erreicht werden kann, das ist die Frage. Sicher ist: es gibt eine ganze Menge zu tun.

Für den Aufbau eines neuen Aktionsmusters in Haltung und Bewegung, bis es mühelos ausgeführt werden kann, wie beispielsweise Radfahren, rechnet die Sportwissenschaft bei geeigneter regelmäßiger Stimulierung mit mindestens sechs Monaten. Nach meinen Beobachtungen, erwerben Yogalernende ein Haltungsmuster in etwa eineinhalb Jahren. Rechnen Sie mehrere aufeinander aufbauende Haltungsmuster, die in Yoga erlernt werden können, so ist klar, dass das Thema Asanas ein großes umfangreiches Lernprogramm offeriert. Ein Musterbeispiel für die Gegensätze des Lebens ist heiß und kalt. Manche Menschen neigen dazu, unterkühlt zu sein, andere haben eine Tendenz, sich zu überhitzen. Wenn die Bewegungen nicht mehr dahin gehen, dass die Gegensätze Probleme erzeugen, hat ein Mensch gelernt, sich immer wieder biopsychosozial zu stabilisieren. Muskuläre Dysbalancen können balanciert werden. Die geistige Kraft, die in der Ruhe liegt, kann gefunden werden. Die Marmakunde gibt diejenigen Regulationszentren an, die dafür gebraucht werden. Es besteht das Vorhaben, in den Asanas dort Qualitätszeichen zu erreichen. Gelenke könnten gelenkartig verwendet werden, Muskeln muskelartig, die Atmung atmungsartig und die Gedanken und Gefühle in ihrer Art. Jeder Prozess könnte in seiner eigenen Art stabilisieren. Solche Prozesse ermöglichen Ihnen die Ausführung und Erfahrung des Asanas. Kurz gesagt, geht es darum, dem Bauplan der Natur zu folgen, Haltungs- und Bewegungsmuster zu überprüfen, und wenn erforderlich, neu aufzubauen. In den Yogakursen wir dies aufgezeigt. Obwohl der Körper und die Körperhaltung in den Asanas eine wichtige Rolle spielen, versteht Yoga den Körper in einem weiteren Sinn. Erleben, Handeln, Entscheiden, Fühlen, Denken, die eigene Lebensgeschichte mit ihrer Zukunft und das eigene Bewußtsein sind dabei ebenso wichtig.

1 Von der Verbalwurzel cit, »wahrnehmen, sein Augenmerk hinrichten/ausrichten, Acht haben auf, konzentrieren, aufmerksam sein, beobachten, beabsichtigen, aufwachen, verstehen«. Eingedeutscht „citen" ist das Verb mit dem der gemeinsame, einheitliche Prozess von denken, fühlen, wahrnehmen und handeln in einem Wort benannt ist.
2 Befreien, entspannen, ausspannen (vimukti) wird in Saṇkhya expliziert: Wie die Milch für die Ernährung des Kalbs in den Euter einschießt, vergleichbar damit kann Prakṛti befreien.
3 In der Hathapradīpikā (II.19) aus dem Mittelalter heißt es atha śavāsanaṃ - uttānaṃ śavavad bhūmau śayanaṃ tu śavāsanam / śavāsanam śrāntiharam cittaviśrānti kārakam. »Dies ist śavāsana: Ausgestreckt leichenartig (kraftvoll, mit der Kraft von prakṛti) am Boden (auf einer ebenen Fläche) liegend (und sich erlauben sich auszuruhen) das ist śavāsana.«
Śavāsana führt die Prozessphase durch des wegnehmen, vertreiben, vernichten der Müdigkeit, des Störenden, Lästigen, Langweiligen, Mühevollen, Welken (śrānti) und des erholen, entspannen, beruhigen, freien Lauf lassen, unterbrechen und abwechseln (viśrānti) in Citta. Dieser Prozess ist nicht ein abgeschlossenes lineares Geschehen sondern ein nicht-linearer Prozess der sich in der Person im Vollzug befindet und die beiden angesprochenen Prozessqualitäten geben über die Stärke des Prozesses Auskunft.
Als „Toter Mann" in einem See liegend schwimmen ist dem ein wenig ähnlich. Die mittlere Ebene (mittlere Frontalebene) zwischen vorne und hinten ist die Entspannungsebene, nicht die die den Boden berührt.